Der OP ist einer der teuersten Arbeitsplätze im Krankenhaus [11]. Allerdings herrschen im OP, speziell in der Chirurgie harte Arbeitsbedingungen, was auch eine hohe Fluktuation an Ärzten fördert. Es ist nicht verwunderlich, dass Chirurgen eine niedrigere Lebensqualität als die Normalbevölkerung aufweisen [12]. Inzwischen wird viel über die psychische Belastung und Gesundheit bei Chirurgen, operationstechnischen Assistenten (OTA) und Assistenzärzten durch viele Arbeitsstunden und hohen Leistungsdruck gesprochen.
Es werden Studien beispielsweise zu Stress, Burnout und Work-Life-Balance durchgeführt und Lösungsansätze präsentiert, um die psychische Gesundheit zu erhalten [13 bis 15].
Ein weiterer wichtiger Punkt während OPs ist die physische Belastung der Mitarbeiter. Viele Chirurgen leiden während der OP unter Muskelschmerzen, müden Augen und zitternden Händen [16; 17]. Gleichzeitig wird der Stütz- und Bewegungsapparat über eine unergonomische Körperhaltung während der OP belastet [10; 17]. Fast jeder Chirurg kennt einen Kollegen mit einem Bandscheibenvorfall, der aufgrund jahrelanger Schmerzen mit anschließender Wirbelsäulen-OP nicht mehr operieren kann [17].
Psychologische Aspekte von Stress sind bekannt, aber körperliche Stressoren wie MSE sind schlecht dokumentiert [8]. Körperliche Beschwerden und MSE unter Chirurgen erfahren daher in der Entwicklung, Prävention, bei neuen Techniken und in der Forschung wenig Beachtung und Verbesserungen finden eher im Bereich der Pflegetätigkeit statt [7; 13; 18; 19].
Heute wie früher operieren die Chirurgen ihre Patienten über lange Zeiträume in unbequemen und statischen Körperhaltungen, während die Patientenversorgung jedes Jahr verbessert wird.
Unternehmen bringen neue Medizinprodukte auf den Markt, welche die Genesung des Patienten vorantreiben, während gleichzeitig passende Hilfsmittel für den Chirurgen nicht vorhanden sind [6; 17; 19; 20]. Die Wissensentwicklung hat die Arbeitsgeschwindigkeit erhöht und die Produktivität gesteigert, während dabei Komplikationen wie Müdigkeit, Stress und MSE verursacht oder verschlimmert werden [9; 11].
Viele Ärzte leiden unter körperlichen Beschwerden während und nach Operationen. Es herrscht eine medizinische Kultur mit geistiger, emotionaler und körperlicher Belastung; eine Kultur des stillen Leidens, bei der die Beschwerden ignoriert werden. Dies kann allerdings zu einer verminderten Produktivität und zur Gefährdung der chirurgischen Karriere führen [2; 6; 12; 14; 17].
Arbeitsbedingte Muskelskeletterkrankungen (WRMD) sind ein großes Problem, das die öffentliche Gesundheit und Menschen jeden Alters betrifft. Mit 20-40% Prävalenz an WRMD unter der Allgemeinbevölkerung ist Ergonomie ein wichtiges Thema. Allerdings sind WRMD unter Chirurgen häufiger verbreitet als in der Allgemeinbevölkerung und führen zu vielen Arbeitsunfällen und -ausfällen [5; 9; 14; 21].
Das Thema Ergonomie und ergonomisches und rückengerechtes Arbeiten ist in allen Arbeitsbereichen wichtig, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Gerade in der Industrie wird seit Jahren von Innovationen am Arbeitsplatz für eine bessere Ergonomie berichtet, während in der Medizin noch Herausforderungen bestehen [4; 14]. In der Industrie haben ergonomische Arbeitsplätze einen hohen Stellenwert, da diese zu einer gesteigerten Qualität, Quantität und einer verbesserten Gesundheit beitragen [11].
Verschiedene Studien z.B. in Verpackungsbetrieben, in der Produktion oder auch im Militär haben gezeigt, dass ergonomische Innovationen und eine neutrale Körperhaltung die Gesundheit der Mitarbeiter fördern, die Effizienz steigern, zu geringeren Ausfallzeiten führen, einen geringeren Produktivitätsverlust und weniger Leistungsfehler aufweisen und zur Reduzierung von WRMD beitragen [2; 5; 6; 14; 17; 22]. Eine ähnliche Anerkennung und Verbesserungen der Ergonomie zur Minimierung des WRMD-Risikos und eine neutrale Körperhaltung fehlen bislang im OP [6; 22].
Auch in der Chirurgie bestehen wachsende Gesundheitsbedenken: „Dies muss sich ändern, denn wie können wir den Patienten hervorragend versorgen, wenn wir unsere eigene Gesundheit und Sicherheit nicht wahren können“ [6]. Damit spielt das Konzept der körperlichen Gesundheit bei Chirurgen eine immer wichtigere Rolle und es ist eine Prävention von MSE bei Chirurgen notwendig [10; 15]. Über neue Innovationen kann die Arbeitssituation verbessert, der medizinische Standard erhöht und die Patientensicherheit gewährleistet werden [11].
Sarah Schick, Master of Science: Analyse von mechanischen Belastungssituationen und Anforderungsdefinition für ein Körperunterstützungssystem für Chirurgen im OP (2022), S. 1-3